Brackel, W. v. 2019a. Rote Liste und Gesamtartenliste der Flechten (Lichenes), flechten­bewohnenden und flechtenähnlichen Pilze Bayerns. – Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg, 124 S.

Zusammenfassung

Diese erste Rote Liste und Checkliste der Flechten, flechtenbewohnenden und flechtenähnlichen Pilze Bayerns umfasst 2.054 Taxa, davon 1.624 Flechten, 399 flechtenbewohnende Pilze und 31 flechtenähnliche Pilze. Sie wurde aufgrund intensiver Recherchen in der Literatur erstellt, die in einem elektronischen Supplement nachvollziehbar niedergelegt sind.

Insgesamt kommen von den drei Artengruppen 1.417 Taxa (1.163 Flechten/236 flechten­bewohnende/18 flechtenähnliche Pilze) in der alpinen Region sowie 1.691 (1.341/323/27) in der kontinentalen Region vor.

909 Taxa (44 %) sind als Rote-Liste-Arten der Kategorien 0, 1, 2, 3 und G ausgestorben oder gefährdet (in der alpinen Region 31 %, in der kontinentalen Region 48 %). Dazu treten als „extrem seltene“ Arten in der Kategorie „R“ 395 Taxa (19 %) hinzu – in der alpinen Region 21 %, in der kontinentalen Region 13 %. In der kontinentalen Region mit der intensiveren Flächennutzung finden sich prozentual mehr gefährdete Arten als in der alpinen Region. Dagegen finden sich in den Alpen besonders viele extrem seltene Arten.

Die bayerischen Flechtenbestände waren in den letzten 200 Jahren (dem Zeitraum, zu dem Angaben zu den Beständen vorliegen), etlichen Belastungen ausgesetzt: Die Industrialisierung führte zu erhöhten Schwefeldioxyd-Konzentrationen in der Luft, die aber Ende des 20. Jahrhunderts durch verstärkte Anstrengungen in der Luftreinhaltung wieder signifikant verringert werden konnten. Neuordnung und Intensivierung der Landwirtschaft vernichtete vor allem in der Zeit nach 1950 zahlreiche Lebensräume in der offenen Landschaft, während in der Forstwirtschaft bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts Nadelholzmonokulturen in den Wäldern zu massiven Diversitätsverlusten führten. Seit etwa 40 Jahren bedroht zunehmend eine steigende Eutrophierung (vor allem durch Stickstoffverbindungen aus Industrie, Verkehr und Land­wirtschaft) umfassend die Flechten und ihre Lebensräume, vor allem indem sie Höhere Pflan­zen und konkurrenzkräftige Moose fördert.

Dringend notwendig zum Schutz der Flechtenflora ist

  • eine Reduktion der Eutrophierung,
  • die Wiederherstellung eines Netzes von Kleinstrukturen in der Landschaft,
  • das weitere Zurückdrängen der Nadelholz-Monokulturen,
  • die Einrichtung von Altholzinseln in den Wäldern,
  • die Wiederherstellung von Flechten-Kiefernwäldern sowie
  • gezielte Artenhilfsmaßnahmen, wie die Übertragung von Flechten in renaturierte Biotope.